Das hat der Welt noch gefehlt – nicht! | Kommentar

Schon wieder bringen mich die Twittertrends dazu ein Thema aufzugreifen und darüber zu berichten. Worum es heute geht? Pinky Gloves. Kennste nicht? Musst du auch besser nicht. Wenn doch, dann verrate ich dir, warum diese Idee nicht nur sexistisch, sondern auch gefährlich ist.

Prinzip der Sendung „Die Höhle der Löwen“ ist einfach: Firmengründer*innen kommen, stellen ihre Produkte oder Dienstleistungen vor. Dann können die Löwen, bekannte Unternehmer*innen, Fragen stellen und schließlich entscheiden, ob sie das Produkt finanziell unterstützen wollen oder nicht. Die vorgestellten Geschäftsideen sind mal mehr, mal weniger interessant, durchdacht oder sinnvoll. So weit, so gut. Was aber in der letzten Folge passierte, überschreitet die Grenze des guten Geschmacks.

Wer kennt das als menstruierende Person nicht? Während der Periode wissen wir alle nicht, wohin mit unseren Tampons oder Binden. Wir wollen niemanden fragen, denn das ist furchtbar peinlich – die Peinlichkeit erreicht dabei ihren Höhepunkt, wenn wir bei unserem neuen Freund wären (und ja, ich gendere mit Absicht nicht, weil das, laut Produktentwicklern die Horrorvorstellung eines jeden Mannes ist) und dieser keinen Mülleimer im Badezimmer hätte. Was tun? Wir können ihn doch unmöglich belästigen, in dem wir nach einem Mülleimer fragen. Und deshalb gibt es sie: Pinky Gloves. Pinke Plastikhandschuhe! Sie sind die Lösung unserer Probleme! Wir können sie ganz einfach überziehen unsere Tampons oder Binden anfassen und dann den Handschuh als eine Art Hundkotbeutel umfunktionieren. Menstruationsmüll rein, ab in die Tasche und niemand fühlt sich gestört.

Hört sich für dich problematisch an? Ist es auch – aber das wurde von den beiden Unternehmern André und Eugen wohl nicht einmal in Bedacht gezogen. Stattdessen präsentieren sie sich als „Frauenversteher“, die, nachdem sie in einer Frauen-WG gewohnt hatten, all die Bedürfnisse menstruierender Personen kennen. Doch nicht nur André und Eugen verkennen das Problem, auch die Löwen finden das Produkt gut – die beiden bekommen einen Deal.

Menstruierenden-shaming at it’s best

Bevor ich auf alle anderen Probleme eingehe: Pinky Gloves ist zutiefst sexistisch. Hier wird die Menstruation tabuisiert, wie es schon seit Jahrhunderten getan wurde. Statt eines Fortschrittes, in dem menstruierende Personen offen darüber reden können, tabuisieren wir das Thema erneut. Schon die Philosophin Simone de Beauvoir beschriebt in ihrem Buch „Das andere Geschlecht“, wie Menstruierende (sie bezieht sich hierbei nur auf Frauen, was ihrem Zeitkontext geschuldet ist) wegen ihrer Periode diskriminiert werden. Dabei argumentiert sie, der Mann betrachte die Menstruation der Frau als unrein, weil er auf sie den Schrecken vor seiner eigenen körperlichen Kontingenz projiziert. Weiter beschreibt sie wie mit menstruierenden Personen in früheren Jahrhunderten umgegangen wurde. So wurden diese beispielsweise während ihrer Periode weggesperrt und bekamen nur Wasser und nichts zu Essen. Niemand durfte sie berühren, weil sie unrein galten. Daraus ergibt sich, dass Menstruierende wegen ihren natürlichen körperlichen Funktionen unterdrückt und kleingehalten werden. Der cis Mann bestimmt hierbei, was als rein und was als unrein gilt.

Pinky Gloves reproduziert diesen Prozess. Offenheit wird zu Verklemmtheit, denn die Periode wird als so dreckig dargestellt, dass wir alle Gegenstände, die damit zu tun haben, nur mit Handschuhen anfassen können. Dabei ist es verboten mit anderen darüber zu sprechen, weil das peinlich und belästigend ist. Damit wird nicht nur jungen menstruierenden Personen vorgelebt, dass sie ihre körperlichen Befinden und Schmerzen nicht ansprechen dürfen, nein das gilt für alle. Bevor sich jemand genauer mit dem Thema Periode befasst, wird es als dreckig abgestempelt. Dabei ist es – das möchte ich betonen – ein so natürlicher Prozess, wie atmen. Gäbe es keine Menstruation, dann würde es schwer werden, dass wir Kinder bekommen könnten, wenn wir das wollen.

Schon mal was von Diversität gehört?

Neben diesem offensichtlich Sexistischen Problem des Produktes fällt es beiden Entwicklern nicht einmal im Traum ein, zu erkennen, dass nicht nur Frauen menstruieren. Beispielsweise menstruieren auch Trans- oder nonbinary Personen. Diese Personen werden jedoch nicht einmal erwähnt und niemand fällt es ein, über sie zu reden. Auch wird nicht angesprochen, dass, aus medizinischen Gründen, nicht alle Frauen menstruieren. Das ist toxisch, denn so entsteht das Bild, dass nur Frauen eine Periode bekommen können, was schlichtweg falsch ist. Menschen werden ausgegrenzt und marginalisiert. Von Diversität scheint hier wohl niemand etwas gehört zu haben.

Und wer unterstützt es?

Weiter stellt sich die Frage, wer zum Teufel unterstützt dieses Produkt? Zu Beginn wurde noch kurz darüber diskutiert, dass es irgendwie merkwürdig sei, dass es um ein „Frauenthema“ gehe und keine Frau bei der Entwicklung beteiligt war. Darauf haben André und Eugen das Totschlagargument: Wir haben mit Frauen gesprochen. Wow. Hurra. Ihr habt mir eurer Zielgruppe gesprochen. Das ist ja super. Wäre es aber nicht besser gewesen, wenn ihr mit einer menstruierenden Person zusammengearbeitet und sie am Unternehmen und der Idee beteiligt hättet?

Dieser Gedanke scheint jedoch weit entfernt. Sonst hagelt es Lob für die beiden. Sie werden als innovativ und mutig bezeichnet, weil sie sich ja als Männer mit dem Thema beschäftigen (!). Hier kann ich nur einwerfen: Dafür gibt es von mir kein Lob. Es sollte eher langsam alltäglich werden, dass sich auch Männer mit der Menstruation auskennen – wir wissen wenigstens genug Bescheid über Erektionsstörungen. Über diese wird schließlich mehr berichtet. Am Ende investiert Ralph Dümmel (ja, ein Mann) in das Produkt.

Und das ist nur ein Problem…

Insgesamt könnte ich noch mehr Probleme des Produktes und der Produktvorstellung aufzählen. Beispielsweise ist das Design allein schon lachhaft. Natürlich brauchen menstruierende Personen pinke Beutel. Wir sind alle Barbies und nur mit pink fühlen wir uns wohl. Auch der Umweltaspekt sollte nicht vernachlässigt werden. Allein Binden und Tampons produzieren jährlich in der EU 49 Milliarden Kilogramm Müll. Und jetzt auch noch Plastikhandschuhe, die auch weggeschmissen werden? Das hört sich für unsere Umwelt mehr als schlecht an. Übrigens wurde vor zwei Jahren bei dergleichen Sendung eine wiederverwendbare Menstruationsunterhose abgelehnt. Ein bisschen ironisch , nicht?

Mein Fazit:

Was lernen wir daraus? Anscheinend zählt für die anwesenden Löwen nur der Profit, den das Produkt verspricht, denn es gibt in Deutschland 40 Millionen Frauen und anderen Menschen mit Uterus, wovon 30 Prozent jeden Monat menstruieren. Ob das Produkt sexistisch ist oder andere Probleme hat, wird nicht bedacht. Und schließlich fördert auch hier ein Mann ein Produkt für Menstruierende, die sicher besser beraten wären, wenn sie sich selbst neue Produkte überlegten. Wir gehen also wieder einen Schritt zurück als einen Schritt nach vorn. Mit solchen Produkten fördern wir ein jahrhundertealtes Denken und Unterdrücken mehr, als dass es wirklich nützlich ist. Und das traurige an der Sache: Verkauft wird Pinky Gloves trotzdem. Ich kann also nichts Gutes daran abgewinnen und hoffe sehr, dass wir es schaffen die Periode zu entmythisieren und einen normalen Umgang mit ihr im Alltag pflegen können – dann brauchen wir auch keine pinken Hundekotbeutel, um unsere Binden oder Tampons zu entsorgen.


Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.