Wie groß ist eigentlich der Einfluss der Jahreszeiten? – Der Mythos Sommer-Winterkinder

Wie entwickelt sich eigentlich unsere Persönlichkeit? Warum handeln wir in verschiedenen Situationen anders als die Menschen uns um herum? Warum bevorzugen manche von uns graues, regnerisches Wetter, wenn ein schöner sonniger Tag doch so viel angenehmer ist? Vieles davon mag mit unserer Erziehung zusammenhängen, oder mit unseren Genen, doch was, wenn unsere Geburt ausschlaggebend war? Genauer gesagt: unser Geburtsmonat?

Über 81 Millionen Menschen leben in Deutschland, über 7 Milliarden bewohnen die ganze Welt. Jeder einzelne von diesen Menschen hat eine eigene Identität, eine eigene Geschichte. Wer wir sind und was wir werden, hängt zum Großteil von unseren Entscheidungen ab, aber auch von unseren Möglichkeiten. Nicht zuletzt schränken uns auch unser eigener Körper ein und unsere Psyche. Kurz gesagt: wir sind der Mensch, den wir mithilfe unserer Gene, Erziehung und eigenen Verstandes seit unserer Geburt aus uns formen.
Viele Gedanken darüber, ob unser Leben komplett anders aussehen würde, wären wir in einem anderen Monat, einer anderen Jahreszeit geboren worden, machen sich wohl die wenigstens Menschen.

Aber es ist ja schon eine interessante Frage. Wäre ich tatsächliche eine andere Person hatte meine Geburt anstatt im September im kalten Januar stattgefunden? Würde ich mein Leben anders führen, wenn ich im sonnigen Juli das Licht der Welt erblickt hätte? Diese Frage mag zwar die Wenigsten aktiv beschäftigt haben, dennoch kursieren nicht zuletzt auch im Internet Thesen darüber, wie sehr der Geburtsmonat Einfluss auf die Persönlichkeit des Menschen haben kann. Sommerkinder haben ein sonniges Gemüt, Winterkinder dagegen gleichen der Jahreszeit mit ihrem kühlen Verhalten – so in etwa kann man sich die Stereotypen vorstellen. Tatsächlich haben sich in den vergangenen 5 Jahren zwei Studien mit dem Mythos Sommer-Winterkinder befasst. Beziehungsweise mit der Frage, ob der Geburtsmonat Einfluss auf unser weiteres Leben haben kann.

 Im Sommer geborene Mädchen kommen zudem auch durchschnittlich später in die Pubertät.

Laut einer Studie der Universität Cambridge in Großbritannien, deren Ergebnisse im Jahr 2015 im Wissenschaftsmagazin „Heliyon“ veröffentlichten wurden, gibt es tatsächlich Unterschiede zwischen den Heranwachsenden, die im Winter, beziehungsweise im Sommer, geboren wurden. Winterkinder kommen in den Monaten Dezember, Januar und Februar zur Welt; Sommerkinder im Juni, Juli und August. Insgesamt wurden 450 000 Menschen in Großbritannien untersuchten.
In der warmen Jahreszeit geboren worden zu sein, hat anscheinend positive Auswirkungen auf den späteren Werdegang des Kindes. Aber schon bei der Geburt selbst unterscheiden sich Winter- und Sommerkinder. Juni-, Juli- und August-geborene sind schwerer, wenn sie auf die Welt kommen. Im Durchschnitt werden sie, sobald sie erwachsen sind, auch größer als beispielsweise Januarkinder und widerstandsfähiger. Das hat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit des heranwachsenden Kindes. Im Sommer geborene Mädchen kommen zudem auch durchschnittlich später in die Pubertät, was ebenfalls gute Voraussetzungen für eine gute Gesundheit verspricht. Vorangegangene Studien haben bereits bewiesen, dass eine frühe Pubertät ein leicht erhöhtes Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich bringt. Auch ein geringes Geburtsgewicht bringt Nachteile mit sich, wie zum Beispiel erhöhtes Risiko für Übergewichtigkeit, Diabetes, Herzerkrankungen und Depressionen. Letzteres werden im Winter geborenen Menschen ja bereits häufiger nachgesagt.
Eine geringe Körpergröße bedeutet ebenfalls eine erhöhte Gefahr, an Alzheimer und Schlaganfällen zu leiden. Sommerkinder schaffen es laut der Cambridge-Studie auch schulisch weiter als Winterkinder: sie erreichen häufiger höhere Schulabschlüsse und haben öfters sogar einen Universitätsabschluss.

Grund für diese anscheinend erheblichen Unterschiede soll etwas mit dem Sonnenlicht zu tun haben, dem die werdenden Mütter während der Schwangerschaft verstärkt ausgesetzt sind. So erzeugen die Mütter mehr Vitamin D, was die Sommerkinder vor allen im zweiten Drittel der Schwangerschaft zugutekommt.
Die englische Studie hat den Wissenschaftlern neue Denkanstöße gegeben und bietet nun neue Bereiche, die es zu erforschen gilt. Es wurden aber auch Theorien bestätigt. Laut Studienautor John Perry konnte „zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen dem Einsetzten der Pubertät und dem Geburtsmonat nachgewiesen“ werden. Natürlich bedarf es weiterer Studien, um Genaueres in Erfahrung zu bringen. Zu 100 Prozent korrekt sind diese Forschungsergebnisse denn keines Falls. Über eine Spanne von 25 Jahre wollen Forscher deshalb die Gesundheit und Entwicklung von Studienteilnehmern überwachen und somit weitere Beweise für ihre Theorien finden.

Es bleibt zu sagen, dass es im Einzelfall nicht auffällt, ob man nun ein Winter- oder Sommerkind ist.

Eine weitere Studie aus den USA beschäftigte sich mit der Frage, ob Kinder ein Leben lang davon profitieren, in einem bestimmten Monat gezeugt, beziehungsweise geboren, worden zu sein. Die Forscher Janet Currie und Hannes Schwandt von der Princeton Universität werteten dafür Daten von rund 1,4 Millionen Kindern aus den USA aus. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin PNAS (Proceedings of National Academy of Sciences of the United States of America) im Jahr 2013 veröffentlicht.
Daraus ging hervor, dass im Mai gezeugte Kinder, deren Geburtstermin sich im Zeitraum um Januar herum befindet, mit großer Wahrscheinlichkeit zu früh zur Welt kommen – was wiederum das Krankheitsrisiko steigert. Dazu kommen noch die Grippeviren, die vor allem im Winter für Mutter und Kind zum Problem werden können. Wird das Baby während der Grippe-Hochzeit geboren, kann es sich leicht mit den Viren anstecken, da es noch deutlich anfälliger für Krankheiten ist als ein Erwachsener. Und selbst im Bauch scheint es nicht sicher zu sein: Sollte die Schwangere ihre Grippe nicht richtig auskurieren, könnte dies sogar eine verfrühte Geburt auslosen. Erkrankt sie im ersten Semester der Schwangerschaft, erhöht sich das Risiko eines geistigen Schadens bei dem Kind. Aber auch wenn sich das alles doch skurril und eher sehr übertrieben anhört, so wird doch auch hierzulande Frauen geraten, sich rechtzeitig gegen Grippe impfen zu lassen. Lieber mal kein Risiko eingehen, die Mutter ist schließlich, wie man so schön sagt, die Mutter der Porzellankiste – und Babys sind nun mal sehr empfindlich!

In anderen ähnlichen Studien wird übrigens auch von Frühlingskindern gesprochen, die im März und April auf die Welt kommen. Den im Frühjahr geborenen Babys wird unter anderem ein erhöhtes Heuschnupfen-Risiko zugeschrieben, da sie genau in dem Zeitraum den Pollen ausgesetzt werden, wenn sie noch am Empfindlichen darauf reagieren.

Es bleibt zu sagen, dass es im Einzelfall nicht auffällt, ob man nun ein Winter- oder Sommerkind ist. Allein durch die große Menge an gesammelten Forschungsmaterial konnten diese Unterschiede erst gefunden werden. Ob man nun als Juli-geborener 0,3 cm größer ist als sein Freund, der im Dezember Geburtstag hat, merkt keiner. Und da jeder sein Leben individuell lebt, verschiedene Gesundheitsrisiken auf sich nimmt – durchrauschen oder Alkohol oder ähnliches – vielleicht nicht den gesündesten Lebensstil hat, ist es fast unmöglich festzustellen, ob das Gesundheitsrisiko nun vom Geburtsmonat oder anderen Faktoren herführt. Zudem umfassen beide Studien nur Menschen aus Großbritannien, beziehungsweise den USA. In andern Ländern sind Schwangere einer anderen Umwelt ausgesetzt, mit unterschiedlichen Lebensbedingungen. Kinder wachsen anders auf als wir hier in Europa und Amerika. Generell ist es unfair zu sagen, Sommerkinder leben gesünder als Winterkinder. Am Ende kommt es dann doch noch darauf an, was für Entscheidungen wir fällen und wie wir unser Leben leben.

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