Women in Horror – Ein Interview mit Tanja Hanika

Der beste Horror entsteht im Kopf und die Bilder, die uns ein Buch vor Augen zaubert, kann kein Film ersetzen. Immer mehr erobern Frauen das Horror Genre. Tanja Hanika ist eine davon. Sie schreibt Horror-Romane und hat sich uns zum Interview gestellt.

Liebe Tanja, vielen Dank, dass Du für das Interview zur Verfügung stehst – magst Du Dich zunächst einmal vorstellen?

Ich freue mich sehr, euch einige Fragen beantworten zu dürfen. Vielen Dank dafür. Mein Name ist Tanja Hanika und ich bin Autorin von Horrorgeschichten und Schauerromanen sowie von Sachbüchern für Autor*innen. Geboren wurde ich 1988 in Speyer und ich habe in Trier Germanistik studiert. Inzwischen wohne ich mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der schaurig schönen Eifel.

Wie bist Du zum Horror-Genre gekommen?

In den ersten Schuljahren war ich noch ein ziemlicher Lesemuffel, weil mir die damaligen Erstlesetexte nicht gefallen haben. Mit acht Jahren ist mir in einer Bücherei eine Kinderversion von Bram Stokers »Dracula« in die Hände gefallen. Das Buch hat mir gezeigt, wie spannend und atmosphärisch Geschichten sein können. Horror und Gruseliges waren fortan DAS Genre für mich und ich habe damals direkt selbst begonnen, Gruselgeschichten zu schreiben. Dafür musste mir mein Opa seine alte Schreibmaschine ausleihen. Seither hat mich kein anderes Genre so gepackt und ich bin wirklich unsagbar glücklich, dass ich meinen Kindheitstraum, Horrorautorin zu sein, inzwischen verwirklichen konnte.

Du schreibst Horror-Romane und Schauer-Geschichten. Wo ist der Unterschied?

Schauerromane, auch gothic novels genannt, sind ein Horror-Subgenre. Sie finden in einem historischen Setting statt, werden meist in (leicht) antiquierter Sprache erzählt und es geht um Geheimnisvolles, oft mit Spuk durchsetzt. Schauerromane sind eher eine sanfte Form des Grusels, wobei das sehr subjektiv ist. Manchen lassen Geschichten mit einem Killer kalt, wohingegen der Spuk für Gänsehaut sorgt.

Horror hingegen ist meist blutiger, brutaler und furchteinflößender und findet in einem modernen Alltagssetting statt, aber die Geschichten können sehr unterschiedlich sein. »Horror« lässt sich nämlich in viele weitere Subgenres einteilen, wie beispielsweise Splatter [blutige Gewaltdarstellungen stehen hier im Vordergrund], Slasher [Jugendliche werden von einem Killer gejagt und getötet], Monsterhorror [Werwölfe, Vampire, Hexen oder Monster aller Art stehen hier im Mittelpunkt] oder Psychohorror [hier wird psychologische Spannung ohne viel Blut geboten]. Wer es wagt, eine kleine Mutprobe in Buchform einzugehen, findet bestimmt ein Subgenre, das den eigenen Vorlieben zusagt.

Wie kommst Du auf die Ideen für Deine Geschichten? Und gibt es etwas, worüber Du nicht schreibe würdest?

Die Ausgangsideen fliegen mir im Alltag zu. Ich stolpere über Sätze, Themen und spontane Einfälle, die mich zu einer Geschichte inspirieren. Wirklich Arbeit wird es erst, aus dieser Ursprungsidee eine komplette Geschichte zu formen, für die noch hunderte weitere Ideen notwendig sind.

Früher dachte ich, dass ich es ausschließen kann, über manche Dinge zu schreiben. Heute denke ich mir eher: Sag niemals nie. So wollte ich zum Beispiel keinesfalls (!) Kinder oder Tiere Gegenstand meiner Geschichten machen. Dann hatte ich jedoch die Idee zu »Hexenwerk – Die gestohlenen Kinder von Schwarzbach« und habe beim Plotten gemerkt, dass die Story mit jungen Erwachsenen nicht funktionieren will. Daher versuche ich stets sehr behutsam mit solchen heiklen Themen umzugehen, keine unnötige Gewalt und ein solches Opfer niemals ganz wehrlos darzustellen. Ganz wichtig sind mir Content Notes, damit Leser*innen, die sich mit bestimmten Themen nicht auseinandersetzen wollen, nicht versehentlich zu dem Buch greifen. Ich will eine schöne Gruselatmosphäre schaffen, aber niemanden nachhaltig verstören! Pauschal würde ich also nichts ausschließen, wobei ich nach wie vor absolut auf rape content verzichte. Gerade noch bis vor einigen Jahren haben sich einige Horrorautoren gerne daran bedient, nur um zu schocken oder die Boshaftigkeit des Antagonisten darzustellen. Ich finde, das geht auch anders. Aber wenn es eine Geschichte einmal wirklich unbedingt erfordern würde, müsste ich wohl darüber nachdenken, ob und wie ich auch das behutsam einsetzen kann.

Konsumierst Du auch Horror oder produzierst Du nur? Und wovor gruselst Du Dich?

Ich liebe Gruselgeschichten und lese zwar auch darüber hinaus ziemlich alle Genres, aber letztendlich lese ich hauptsächlich Horrorromane und schaue auch gerne Horrorfilme. Hörbücher sind leider nicht mein Medium, aber wären sie es, würde ich Horror bestimmt auch hören.

Ich habe inzwischen ziemlich viel gelesen und gesehen, sodass ich mich selten richtig grusle. Was es allerdings ab und zu schafft, sind Geschichten über Besessenheit. Die Wehrlosigkeit der Besessenen gegenüber dem Dämon, der in sie gefahren ist, das finde ich wirklich grausig. An Filmen haben mich die »The Ring«-Filme mit am meisten gegruselt. Dieses Mädchen im Brunnen hat für mich einfach etwas.

Frauen können keinen Horror, das ist doch eine typische Männer-Domäne. Was sagst Du dazu?

Das habe ich leider schon ziemlich oft gehört und ich finde, mit diesem Vorurteil muss so langsam mal aufgeräumt werden. Männer können schließlich auch Liebesromane schreiben, oder? Schon wenn wir weit zurückgehen, hat Mary Shelley mit ihrem »Frankenstein« allen gezeigt, dass auch die Fantasie von uns Frauen gruselig und unheimlich sein kann. Dieses Geschlechterrollendenken ist hier (und auch sonst) für mich absolut fehl am Platz. Es gibt viele Frauen, die tolle Horrorliteratur geschrieben haben oder schreiben. Zu meinen Lieblingsautorinnen gehören zum Beispiel Shirley Jackson oder Daphne du Maurier. Es ist mir wichtig, auch als Frau, als Horrorautorin ernstgenommen zu werden und zum Glück begegne ich hauptsächlich Menschen, die es mir auch zutrauen.

Wie stehst Du zu Triggerwarnungen / Content Notes? Nehmen die nicht den Grusel und Horror schon vorweg?

Wie ich zuvor schon einmal erwähnt habe, benutze ich Triggerwarnungen sehr gerne. Lesen soll Spaß machen – ja, auch im Horrorbereich – und niemanden auf dem falschen Fuß erwischen.

Für mich nehmen Content Notes keineswegs Spannung vorweg. Im Gegenteil, mir haben schon einige Leser*innen geschrieben, dass sie durch die Content Notes umso neugieriger auf die Geschichte wurden. Es werden keine Twists, Wendungen oder das Ende verraten, aber dafür Inhaltspunkte und Themen angedeutet, die neben dem Klappentext einen Einblick in das Geschehen bieten können.

Ich denke mit »Warnung: Bedingt durch die Hexenthematik kommen in diesem Roman Kinder zu Schaden: Es findet Gewalt von Kindern und gegen Kinder statt« bei »Hexenwerk« oder mit »Der Horrorroman enthält explizite Gewaltdarstellungen und abstoßende Details« bei »Der Angstfresser« habe ich nicht zu viel verraten, wobei ich inzwischen gerne auch noch genauerer Triggerwarnungen schreibe. In »All Horrors Eve – Eine Halloweengeschichte« habe ich die Content Notes im Buch kapitelweise aufgelistet.

Deine Bücher erscheinen im Selfpublishing. Warum hast Du Dich für diesen Weg entschieden?

Hier gebe ich zwar die übliche Antwort: »Freiheit und Kontrolle«, aber dem ist wirklich so. Meine Geschichten müssen weder in ein Verlagsprogramm noch zu den Mainstreamwünschen passen. Ich kann meine eigenen Deadlines und Veröffentlichungstermine festlegen und bin in allen Entscheidungen frei; auch mit wem ich zusammenarbeite, wie das Cover aussehen und Titel soweit Klappentext lauten sollen oder welche Marketingstrategien ich ausprobieren möchte. Inzwischen kann ich hauptberuflich als Autorin arbeiten und habe diese Entscheidung von vor inzwischen sieben Jahren nie bereut.

Wie hat sich das Genre Horror in den letzten Jahren verändert?

Was Filme betrifft, würde ich sagen, dass Frauenrollen abseits vom survivor girl gerne stärker angelegt werden und weniger Stereotype eingesetzt werden.

In der Buchbranche findet, soweit ich das subjektiv einschätzen kann, ebenfalls mehr Inklusion statt. Die Geschichten werden etwas bunter und bleiben dennoch düster.

Dein Tipp, für einen Start ins Genre? Als Film? Als Buch?

Weil es gerade im Horrorgenre ein so breites Band an unterschiedlichsten Subgenres und Themen gibt, kann das nur sehr individuell beantwortet werden. Ich denke jede*r, die oder der Interesse an Horror hat, findet etwas für seine Vorlieben. Um jetzt nicht gar keine Antwort zu geben, empfehle ich zum Einstieg aber gerne den Schauerroman-Klassiker »Dracula« von Bram Stoker, der mich damals zum Gruselfan gemacht hat. Auch die Literatur der von mir bereits genannten Lieblingsautorinnen Shirley Jackson oder Daphne Du Maurier kann ich sehr empfehlen. Und falls es ein bisschen verrückter und härter sein darf, gibt es unzählige Bücher von Richard Laymon, von denen so manche wahre Horrorschätze sind. Und falls es auch Self-Publishing sein darf, würde ich mich riesig freuen, wenn auf meiner Homepage tanja-hanika.de vorbeigeschaut wird. Dort habe ich unter »Bücher« alle meine Veröffentlichungen aufgelistet.

Noch irgendetwas, das Dir am Herzen liegt und Du der Leserschaft mitgeben magst?

Traut euch an Horrorgeschichten heran und habt keine Angst vor Albträumen. Wachst gemeinsam mit den Protagonist*innen über euch hinaus und merkt, wie mutig ihr seid und dass ihr alles schaffen könnt, wenn ihr es wagt. Es haben mir schon viele Menschen geschrieben, dass sie zwar zuerst Bedenken hatten, ein Horrorbuch zu lesen, und dann doch dem Genre verfallen sind. Horror macht Spaß und verrät euch viel über euch selbst.


Geboren wurde Tanja Hanika 1988 in Speyer und ist im Großdorf Haßloch aufgewachsen.Sie mit ihrem Mann, Sohn und Katze in der schaurig schönen Eifel. Von Schauerromanen über Psychohorror bis hin zu blutigem Splatter oder Romane über Hexen, Werwölfe, Geister, menschliche Mörder und Wahnsinn – für jeden Geschmack dürfte etwas dabei sein. Tanja Hanika veröffentlicht allerdings nicht nur im Genre Horror: Inzwischen sind auch zwei Sachbücher erschienen.

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