Die Couch und Chaos-Redaktion präsentiert: Unsere Lieblingsgruselfiguren – Oiwa

Die dunkle Jahreszeit hat begonnen und Geschichten über Gespenster und Geister scheinen nun viel glaubhafter zu sein. Doch es gibt nicht nur den klassischen Geist im weißen Tuch: Schreckgestalten gibt es in den verschiedensten Formen und jede Kultur hat ihre eigenen Monster. Aus diesem Grund präsentieren unsere Redakteur*innen Euch ihre Lieblingsgruselfiguren. Den Anfang macht dabei Saskia und führt euch ins ferne Japan.

Ich musste gar nicht lange überlegen, wen ich Euch als Lieblingsgruselfigur vorstellen wollte. Das lag für mich fast direkt auf der Hand: Ich erzähle euch etwas von Oiwa. Oiwa ist ein japanischer Yurei, also ein japanischer Geist und ich bin auf ihre Geschichte gestoßen, als ich für mein Schreibprojekt recherchiert habe. Daraus hat sich eine Liebe für die japanische Mythologie entwickelt und gerade die Geschichte von Oiwa fasziniert mich immer wieder. Also fangen wir an – und zwar mit der wichtigsten Frage: Wer ist Oiwa überhaupt?

Eine leidende Frau

Die Geistergeschichte um den weiblichen Geist Oiwa spielt in der Edo-Zeit im alten Japan; wir befinden uns ungefähr im Jahr 1630. Oiwa wird als eine sehr hübsche junge Frau beschrieben, die viele Männer heiraten wollen. Sie ist jedoch in Iyemon verliebt, einen unehrlichen Samurai, der den strengen Samuraikodex nicht befolgt – davon weiß Oiwa jedoch nichts. Sie heiratet Iyemon, doch dieser beginnt zu Trinken und sich immer schlechter zu verhalten. Also nimmt ihr Vater Oiwa wieder mit nach Hause. Iyemon, der die Trennung nicht verkraftet, bittet um ein Treffen mit Oiwas Vater. Bei diesem Treffen tötet er den Mann und erzählt Oiwa, dass ihr Vater von Banditen überfallen worden sei. So bringt er seine Frau wieder zurück nach Hause – ohne, dass diese von seinen Missetaten weiß.

Doch mit der Ehe von Oiwa und Iyemon geht es immer weiter bergab. Iyemon verwickelt sich immer mehr in dunkle Geschäfte. Er hilft sogar, seinen Schwager umzubringen, sodass Oiwas Schwester Osode zur Witwe wird. Oiwa ahnt jedoch noch immer nichts von seinen Machenschaften (sehr leichtgläubig, oder?) und bekommt einen Sohn von ihm. Nach der Geburt ist sie sehr schwach und angeschlagen. Ihr Sohn schreit immer wieder. Iyemon wird zunehmend genervt von seiner Frau und hält nach einer besseren Partie Ausschau. Diese findet er auch, aber nun steht er vor dem Problem, dass er seine Frau loswerden muss. Also vergiftet er erst seine Frau mit einer Creme, sodass ihre linke Gesichtshälfte verbrennt, die Haut und die Haare abfallen und sie nun verunstaltet ist. Da das Gift sie noch nicht getötet hat, ersinnt er einen neuen Plan: Sein Diener soll Oiwa vergewaltigen und danach töten. Dies traut sich der Diener aber nicht und so wird sowohl er als auch Oiwa von Iyemon getötet. Danach stellt es Iyemon dar, dass beide Selbstmord begangen haben, weil sie eine heimliche Affäre hatten. Oiwas Leiche versenkt er im Fluss Kanda.

Währenddessen wird Osode von Naosuke, dem Mörder ihres Mannes, umworben. Sie will ihn eigentlich nicht heiraten, aber ihr bleibt nichts anderes übrig, wenn sie überleben will und so zieht sie bei dem Mann ein.

Die Rache von Oiwa

Nach dieser schon sehr traurigen Geschichte beginnt nun der spukige Teil, denn Iyemon wird keine Ruhe finden. In der Hochzeitsnacht mit seiner neuen Frau vermeint er, in den Spiegeln und den Lampen das entstellte Gesicht von Oiwa zu sehen. Er verliert beinahe den Verstand, als er glaubt, dass auch seine neue Braut das Gesicht der ermordeten Gemahlin trägt und so tötet er seine neue Frau und danach deren Vater. Doch Oiwas Gesicht verschwindet nicht. Es – und damit ihr Geist – verfolgt ihn überall, egal, wohin er geht. Iyemon kann nicht vor ihr fliehen und bald darauf hört auch Oiwas Stimme, die ihn einen Mörder nennt. Das geht so weit, dass er aus der Stadt flieht und schließlich Selbstmord begeht, um Oiwa zu entkommen.

Aber nicht nur Iyemon wird von Oiwa heimgesucht. Auch Naosuke vermeint eines Nachts, einen Geist zu sehen, mit welchem er ringt und dabei Osode tötet. Es kommt jedoch heraus, dass der Geist auch Oiwa war. Vor Angst und weil er Osode verloren hat, begeht auch Naosuke Selbstmord. Damit endet die tragische Geschichte um Oiwa. Ein Happy End gibt es nicht – außer vielleicht für Oiwa, die nun ihren Frieden gefunden haben könnte.

Was mich an der Geschichte fasziniert

Was ist genau mit Oiwa passiert? Sie wurde, wie es im japanischen Glauben ist, zu einem Onryo, einem Rachegeist, weil sie ermordet wurde. Ihre Seele fand keine Ruhe und so versuchte sie das Unrecht, welches an ihr und ihrer Schwester begangen wurde, gut zu machen. Ob der Tod von Osode nötig war, kann ich nicht sagen. Für mich bleibt diese Geschichte jedoch sehr faszinierend.

Ich finde die Leidensgeschichte von Oiwa, die für die Verbrechen ihres Mannes nichts konnte und dann, als sie selbst krank war, noch vergiftet, entstellt und umgebracht wurde, traurig. Sie lässt mich nicht los, denn es stellt sich für mich die Frage, wer wirklich der Böse in der Geschichte war. War Oiwa, der Geist, böse, weil sie Iyemon und Naosuke in den Tod getrieben hat? Oder waren nicht vielmehr die beiden Männer böse, die gemordet haben, um das zu bekommen, was sie wollten?

An diesen Fragen wird wieder das ambivalente Verhältnis von Gut und Schlecht in der japanischen Kultur deutlich. Es gibt keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern viele Grautöne und genau das gefällt mir – Mir gefällt es, dass Oiwa sich am Ende an ihrem Mann gerächt und sich damit (meiner Meinung nach) emanzipiert hat. Und weil die Geschichte bei mir einen so bleibenden Eindruck hinterlassen hat, habe ich Oiwa als Yurei in mein Schreibprojekt eingebaut. Hier ist Oiwa eine der Hauptpersonen und spielt eine tragende Rolle, weil ich so gerne alle Seiten ihrer Geschichte und ihres Charakters beleuchten möchte.

Zum Schluss noch eine Warnung: Wenn ihr eine Papierlaterne anzündet und plötzlich ein Gesicht darin seht, dann kann es sein, dass ihr von einem Geist verfolgt werdet!

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