Das Wunderland gibt es noch immer

„Hier sind alle verrückt“ – „We’re all mad here“, ist heutzutage wohl eines der bekanntesten Zitate aus dem weltberühmten Kinderbuch Alice im Wunderland. Jeder kennt es, egal, ob man das Buch gelesen oder die Filme gesehen hat. Der gute Ruf dieses Buches eilt ihm förmlich voraus. Ist das verdient?

Charles Lutwidge Dogson, der unter dem Pseudonym Lewis Carroll bekannt war, schrieb im Jahr 1864 die Geschichte der kleinen Alice, die ein Jahr später als Buch veröffentlicht wurde. Das Buch erzählt von Alices Reise in eine andere Welt und von den Wesen und Tieren, die sie dort trifft, wie die Edamer Katze, auch als Grinsekatze bekannt, und der verrückte Hutmacher. Das Buch hat keinen vorgegebenen Handlungsstrang, es sind eher einzelne Geschichten, die nicht zwingend miteinander zusammenhängen. Die Ereignisse folgen zwar aufeinander: Alice geht nach der Grinsekatze zum Märzhasen, sie meint er wäre vielleicht nicht so verrückt, da es ja nicht März ist, oder sie trifft Tiere im Wasser, nachdem sie ein Meer geweint hat, aber man kann die Ereignisse klar abgrenzen und sie haben oft nichts miteinander zu tun, obwohl sich chronisch an die Abfolge gehalten wird.

Auch hat das Buch bis zum Ende keinen Höhepunkt, außer im letzten Kapitel, in welchem Alice bei einer Gerichtsverhandlung ist. Jedoch ist die Spannung, welche sich hier aufbaut auch schnell wieder vorbei. Ansonsten ist das Buch durchgehend skurril und kurios mit höchst seltsamen Figuren, die viele Geschichten erzählen und die den Aufenthalt im Wunderland für Alice so aufregend wie möglich machen. Sie schrumpft, sie wächst, dann ist sie wieder klein, das kann schon verwirrend sein für ein junges Mädchen. Sie versucht das Wunderland zu erforschen und dem rätselhaften Land auf den Grund zu gehen. Manche der Figuren sind auch sehr unfreundlich zu Alice, obwohl sie selbst versucht immer einen klaren Kopf zu bewahren und nicht zu unfreundlich zu werden. Viele sagen, dass das Buch eine Analogie zum Erwachsenwerden oder Heranwachsen ist, da Alice viele individuelle Veränderungen durchlebt und sich mit Hindernissen und den verschiedensten Charakteren auseinandersetzen muss, andere sagen wiederum, dass es sich auf das Leben im Allgemeinen bezieht und es als ein endloses Rätsel zu verstehen ist.

Die Figur Alice ist übrigens keineswegs fiktiv.

Das macht das Buch zeitlos und wichtig für alle Generationen, da man schließlich nie aufhört älter zu werden. Genau das beschreibt der letzte Absatz des Buches in dem Alices Schwester ihrer eigenen Jugend nachtrauert.
Man kann auch nicht genau sagen, ob Alice eine gute Zeit im Wunderland hat, ob sie die Geschehnisse verwirrend oder beängstigend findet, denn der Erzähler schildert die Ereignisse eher grob und wenig detailreich. So bleibt dem Leser eine größere Interpretationsfläche und man kann sich Wunderland und seine Bewohner so vorstellen, wie man möchte. Für die Figuren gibt es auch noch die Hilfe der Illustrationen, die von John Tenniel gezeichnet wurden, so wie er sie sich vorstellt.

Die Figur Alice ist übrigens keineswegs fiktiv, sie gab es wirklich. Alice Pleasance Liddell war die Tochter des Dekans am Christ Church College, an dem Carroll Logik und Mathematik unterrichtete. Der schüchterne Autor ging bei Kindern völlig auf und erzählte ihnen phantasievolle Geschichten, und Alice war sein Lieblingskind, sodass er Alice im Wunderland für sie als Weihnachtsgeschenk schrieb. Mit dem bereits erwähnten letzten Abschnitt des Buches, wird sich Carroll bewusst, dass seine Freundschaft mit der kleinen Alice nicht ewig halten kann, sie wird älter und irgendwann erwachsen und wird sich von ihm entfernen und genauso ist es auch gekommen.

Der trockene Ton des Buches hat etwas Satirisches und wenn man sich überlegt, dass Carroll Logiker war, passt das sehr gut. Er war zwar phantasievoll mit den Kindern, doch der Unterton der Realität scheint in beiden Alice-Bücher (Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln) stark durch.
Ich würde jedem raten das Buch zu lesen, da es zum Einem nicht lang und zum Anderen leicht zu lesen ist. Die Sprache ist einfach gehalten, für damalige Zeiten eben ein klassisches Kinderbuch. Mit dem einzigen Unterschied, dass es weltberühmt wurde und ist. Nicht selten hört man ein Zitat im englischen Parlament, oder liest eins in der New York Times, auch in sozialen Medien sind Zitate aus dem Buch vertreten. Schon zu Lebzeiten von Carroll war das Buch sehr erfolgreich und wurde sogar von Queen Viktoria und Oscar Wilde gelesen. Von damals bis heute kann man in fast jedem Englischen Kinderzimmer eine Ausgabe finden und ich finde man sollte es auch in deutschen Häusern antreffen.

Gibt es natürlich noch die Fortsetzung Alice Hinter Den Spiegeln.

Das Buch ist lustig, mit ernsten Stellen, man lernt sich beim Lesen selbst ein wenig besser kennen, da man zum Nachdenken über eine der größten Fragen im Leben angeregt wird. Es enthält Gedichte und Lieder, skurrile Figuren, die man auf Personen des echten Lebens beziehen kann und eine sympathische Protagonistin für die man sehr viel Empathie entwickelt. Für viele Leute ist das Buch jedoch zu Skurril und man versteht manche Dinge falsch, wenn man nicht die Hintergründe des Autors kennt, es sollte nämlich kein leichtherziges Buch sein für das es viele halten. Andere kritisieren, dass das Buch für Kinder zu ernst ist und eher für Erwachsene geeignet ist.

Falls Dir lesen zu anstrengend ist, oder Du einfach nicht so viel Interesse an Büchern hast, gibt es auch noch die Möglichkeit eine der 38 Verfilmungen anzuschauen, mit der bekanntesten von Walt Disney (1951). Die Verfilmungen sind mehr oder weniger an das Buch gebunden, aber viele Filmadaptionen haben sich viel Raum zur Interpretation gelassen, wie mit dem Werk „Alice im Horrorland“. Andere Adaptionen sind fast wörtlich aus dem Buch übernommen. Auch die zwei Verfilmungen von Produzent und Regisseur Tim Burton die in den Jahren 2010 und 2016 in die Kinos erschienen, sind eher frei und nicht ans Buch gehalten, sie haben tatsächlich eher sehr wenig mit den Büchern zu tun, bis auf ein paar Anekdoten.

Zu guter Letzt noch, falls du das Buch Alice im Wunderland bereits gelesen hast, Dich aber noch nicht vom Wunderland verabschieden kannst, gibt es natürlich noch die Fortsetzung Alice Hinter Den Spiegeln. Über ein Jahrhundert später haben sich andere Autoren von Carroll und seinem Wunderland inspirieren lassen und Bücher in derselben Welt oder in einer vom Wunderland inspirierten Welt spielen. Zwei Beispiele dafür sind After Alice (2015) von Gregory Maguire, der das Buch Wicked (1995) geschrieben hat. Das Buch erzählt von Alices Freundin Ada, die ihr ins Wunderland folgt. Es ist in einem sehr ähnlichen Ton gehalten wie das Original. Das zweite Beispiel ist Alice (2015) von Christina Henry, dass ein etwas anderes und sehr viel dunkleres Wunderland beschreibt. Alice wird als verrückt bezeichnet, der Märzhase will sie als Sklavin haben und die Grinsekatze ist ein Mafiaboss.

Falls du dich für das Wunderland, dass Lewis Carroll vor über 150 Jahren erschaffen hat interessierst, dann folge doch einfach dem Weißen Kaninchen, hinab in den Kaninchenbau und rein in die englische Weltliteratur.

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