Gierig und unentschlossen oder einfach nur voller Liebe? | Interview mit einer bisexuellen Person

Bisexualität ist wohl eine der bekanntesten sexuellen Orientierungen und ist trotzdem mit einem Stigma verbunden. Loraine Fischer hat sich mit Dennis Frey, einem bisexuellen Mann, unterhalten und darüber gesprochen was Bisexualität für ihn bedeutet und wie er dieses Stigma erfährt.

Möchtest du dich erstmal vorstellen? Also wer bist du, wie alt bist du und woher kommst du? Und was machst du gerne in deiner Freizeit?

Hallo, mein Name ist Dennis Frey. Ich bin Autor, Lektor und Streamer, Papa von vier Kindern und damit ganz gut ausgelastet. Ich bin 35 Jahre alt und vor einer Weile mit meiner Familie aus Irland zurück in die Gegend um Frankfurt gezogen, wo wir uns eigentlich ganz wohl fühlen.

Was bedeutet es für dich bisexuell zu sein?

In meinem Alltag tatsächlich relativ wenig. Ich bin mit einer (ebenfalls bisexuellen) Frau verheiratet und – obwohl wir uns gegenseitig die Option offen lassen – mit dem Familienleben, der Arbeit und der Coronasituation aktuell zu ausgelastet, um auf Dates mit anderen Menschen zu gehen.
Insofern ist die einzige Auswirkung auf mein Leben im Moment, dass mir ab und zu Männer oder Frauen begegnen, die ich attraktiv finde.

Gab es eine Art Schlüsselmoment für dich oder eine inspirierende Person im Zusammenhang mit Bisexualität?

Ich habe mir lange eingeredet, dass ich attraktive Männer nur wegen der Ästhetik anschaue. Wie ein Kunstwerk. Erst als ich meinen lieben Autorenkollegen Christian Handel kennengelernt habe, der sehr offen und ohne unterschwellige Schuldgefühle mit seiner Homosexualität umgeht, habe ich mich sicher genug gefühlt über meine eigene Sexualität nachzudenken.
Es gab aber vorab gewisse Hinweise (die ich ignoriert habe). Zum Beispiel waren schon immer sehr viele der Hauptfiguren in meinen Geschichten bisexuell.

Hattest du dann auch ein Coming-Out mit Problemen? Also mit deinem persönlichen Umfeld wie Freunde oder Familie? Oder gab es auch positive Erfahrungen und welche?

Ich hatte kein großes Coming-Out. Mit meinen Eltern hatte ich zu der Zeit keine sonderlich gute Beziehung, meine Frau und meine Kinder haben es niemals merkwürdig gefunden, wenn ich für Männer geschwärmt habe und der Rest der Welt … da habe ich das Privileg, dass ich nicht allzu viel darauf geben muss, was der denkt. Ab dem Moment, an dem ich ehrlich mit mir selbst war, habe ich auch ehrlich mit anderen Leuten darüber gesprochen, wenn es im Gespräch aufkam. In meinen Streams war das auch nie ein Geheimnis, wenn wir da über Beziehungen gesprochen haben. Wer damit ein Problem hat, braucht keinen Platz in meinem Leben.

Wie gehst du mit Diskriminierungen um bzw. gab es da Erfahrungen, die du teilen möchtest?

Dadurch, dass ich mit einer Frau verheiratet bin, werde ich leicht als hetero gelesen. Oft wird mir die Bisexualität sogar abgesprochen, weil ich … keine Ahnung, nicht aktiv wöchentliche Orgien mit Männern und Frauen feiere?
Ich habe schon mehrfach mitbekommen wie ich und andere schon fast als sexsüchtig eingestuft, oder dann alternativ als „in einer verwirrten Phase“ abgetan werden.
In solchen Fällen versuche ich einmal sachlich darüber zu reden. Man merkt meist sehr schnell ob zugehört wird oder nicht.
Die unangenehmste Erfahrung hatte ich tatsächlich als mein Buch „Agung”  – Abendessen mit einem Magier“ herauskam, bei dem die Bisexualität des Protagonisten auch Teil der Geschichte ist. Jemand hat sich die Mühe gemacht mir eine sehr, sehr ausführliche Mail dazu zu schreiben, wie abartig es ist so etwas herauszubringen und was für ein furchtbarer Mensch ich bin. Ich habe eine genauso ausführliche Antwort geschrieben, aber niemals abgeschickt. Meine Energie ist anderswo besser aufgehoben.

Gibt es andere sexuelle Orientierungen, die für dich interessant waren oder noch sind?

Ich glaube dafür weiß ich noch zu wenig. Ich versuche mich aber stetig weiterzubilden. Im Moment fühle ich mich sehr wohl in der bisexuellen Schublade, aber Menschen verändern sich – wer weiß?

Stell dir vor, du bist auf einer Pride Veranstaltung und darfst eine Rede vor jungem Publikum halten: Was würdest du jungen Menschen bezüglich Sexualität und sexuelle Identität als wichtige Tipps an Herz legen wollen?

Haltet euch nicht an Menschen fest die euch nicht ernstnehmen, oder euch ändern wollen. Es gibt nichts was das rechtfertigen würde. Weder Blutsverwandtschaft noch „alte“ Freundschaft gibt jemandem das Recht dazu und ihr könnt euch immer eine neue Familie suchen. Gute Freunde, die euch so akzeptieren wie ihr seid. Es mag kurzfristig schwer sein die zu finden, aber auf lange Sicht wird es euch damit besser gehen, als wenn ihr euch weiter mit denen rumschlagt, die denken ein Anrecht auf euer Leben zu haben. Dass man seine Familie ohne jede Einschränkung lieben muss, ist eine Lüge. Wer euch für seinen eigenen Komfort verändern will, hat in eurem Leben nichts verloren.

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