Eigentlich bin ich nicht der Typ für Serien. Zu selten habe ich die Zeit, Abends noch eine Folge anzuschauen und wenn doch, bin ich nicht mehr richtig drin. Anders sieht das allerdings bei „This is us“ aus. Woran das liegt, möchte ich Euch hier schildern.
Unser Kennenlernen
Tatsächlich suchte ich nach einer ganz anderen Serie und zwar die Verfilmung von Margret Atwoods „Handmaids Tale“, ein Buch, das bereits 1984 eine düstere Dystopie entwarf und direkt an George Orwells 1984 anknüpft, dabei jedoch den Schwerpunkt auf patriarchale Strukturen legt und die Rolle der Frau thematisiert. Streamen konnte ich die Serie nicht, doch bei allen Rezensionen, die ich las kam der Hinweis auf eine andere Serie, die bei den Emmy Verleihungen abgeräumt und viele Preise gewonnen hatte: „This is us“.
In Deutschland gefloppt, in Amerika ein Megahit, für Fans der Gilmore Girls empfohlen hieß es in der Presse. Meine Neugier war geweckt und ich schaute, zunächst skeptisch einfach mal rein.
Doch was ich sah entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen und gleichzeitig war ich total überwältigt.
Was ich tatsächlich vorfand.
Die Erwartungen, die geweckt worden waren wurden nicht bestätigt. Mit Gilmore Girls ist die Serie in keiner Weise vergleichbar und sonderbar unamerikanisch ist sie auch. Warum sie also in Deutschland floppte, kann ich nicht sagen. Vielleicht liegt es ja am seltsam identitätslosen Titel.
Tatsächlich erinnerte mich die Serie an eine moderne Version der Buddenbrooks und Anna Karenina. Erzählt wird die Geschichte einer Familie über drei Generationen. Zwar geht es nicht um Dekadenz oder ein geschäftliches Imperium, sondern um den Aufbau einer familiären Struktur und menschliche Verflechtungen.
Daneben – und daher kommt der Vergleich mit Tolstois Anna Karenina – beinhaltet die Serie eine tiefgehende Charakterschilderung, die glaubhaft innere Konflikte und die Entwicklung der einzelnen Protagonisten darlegt.
Die Psychologisierung ist tiefgehend und glaubhaft, hat oft eine gewisse Tragik in der Unzulänglichkeit der Figuren, die jedoch genau durch diesen Realismus sehr liebenswert sind und die man mit all ihren Unzulänglichkeiten und Fehlern ins Herz schließt.
Die Eltern
Die Erzählung geht aus von einem jungen Paar Jack und Rebecca Pearson, gespielt von Milo Ventimigla und der wunderschönen Singer-Songwriterin Mandy Moore. Entgegen aller Widrigkeiten gründen die beiden eine Familie und bauen sich in den 70er Jahren eine Existenz auf, sie haben zu kämpfen mit ihrer eigenen Identität und Herkunft, finanziellen Problemen und Alkoholsucht. Die Entwicklung der Beziehung, Höhen und Tiefen der Ehe finden in der Serie Darstellung.
Die Kinder
Bei den Kindern der beiden handelt es sich um Drillinge. Da eines der Kinder bei der Geburt starb, adoptiert das Paar einen Jungen afroamerikanischer Herkunft, der am selben Tag geboren und vor einer Feuerwache ausgesetzt wurde.
Bis auf den Geburtstag haben die Drillinge nichts gemeinsam. Die Charaktere sind sehr unterschiedlich und von eigenen Problemen geprägt. So wird in der Serie der Identitätsfindung der drei nachgegangen:
Kevin Pearson (Justin Hartley) ist Serienstar einer Sitcom, der sich selbst nicht festlegen möchte, aber von anderen auf die Rolle die er spielt festgelegt wird. Er kämpft darum, ernst genommen zu werden, um Anerkennung und versucht, herauszufinden wer er selbst ist.
Kate Pearson (Chrissy Metz) war schon als Kind übergewichtig und kämpft mit ihrer Rolle als Frau. Eine Übermutter, die ihr in Aussehen, Ausstrahlung und Talent überlegen ist, macht es ihr schwer sich zu behaupten und als mit ihrem Vater scheinbar die Person stirbt, die Achtung und Liebe entgegenbringt, fällt sie in eine Abwärtsspirale. Wir sehen in der Serie, wie sie mit sich kämpft, um Selbstachtung ringt und sich schließlich ein eigenes Leben aufbaut.
Das afroamerikanische Adoptivkind Randall Pearson (Sterling K. Brown) hat es besonders schwer. Er wächst in den späten 70er und 80er Jahren in einem „weißen“ Haushalt auf. Lange hat er das Gefühl nur die Stellvertreterrolle für das verlorene Kind einzunehmen. Auch leistet Randall immer mehr als die anderen, ist Perfektionist, da er glaubt nur so seinen Makel, anders zu sein ausbügeln zu können. Gleichzeitig sehnt er sich danach, seine Wurzeln zu erforschen und unter gleichen zu sein.
Die Suche und Auseinandersetzung mit seinem leiblichen Vater – einem ehemaligen Beatpoet und Bürgerrechtler, der dann in Elend und Cracksucht abrutschte – lässt ihn eine erstaunliche Entwicklung durchmachen und gehört zu den berührendsten Erzählsträngen der Serie.
Stilistische Umsetzung
Trotz der Schwere der Thematik ist die Erzählweise erstaunlich leichtfüßig, sie verflechtet verschiedene Erzählstränge und Zeitebenen, oft ist es ein Thema, das jeden Menschen betrifft und welches aus der Sichtweise der einzelnen Protagonisten beleuchtet wird.
Die Ästhetik fängt den jeweiligen Zeitgeist ein und wirkt in Farbgebung als blättere man durch ein Fotoalbum der 70er, 80er oder eben 90er und 2000er Jahre. Musikalisch wiederkehrende Songs – auch hier weitab vom Mainstream – mit einer Vorliebe für Singer Songwriter wie Cat Stevens, Leonard Cohen oder Simon and Garfunkel – verleihen eine melancholisch heitere Atmosphäre und lassen ein Gefühl der Nostalgie aufkommen.
Wer also lachen, weinen, mitfühlen, einsinken und sich vollkommen in die Schicksale der Protagonisten hineinversetzen möchte, sollte „This is us“ nicht verpassen. Man wird dabei nicht nur unterhalten, sondern lernt und fühlt dabei auch etwas über das Leben und sich selbst.