Was wir von Bilbo Beutlin lernen können – Die Kraft der inneren Widerstandsfähigkeit entdecken

Was gibt uns die Kraft und die Energie, Schicksalsschläge zu überwinden, Belastungssituationen auszuhalten und Schwierigkeiten zu meistern? Warum bezwingen manche Menschen existentiell bedrohliche Situationen scheinbar mühelos, während andere im Angesicht weniger drückender Geschehnisse zusammenbrechen oder gar in eine Depression abrutschen?

Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die Resilienzforschung: Eine Richtung der Psychologie, die sich mit innerer Widerstandsfähigkeit von Menschen beschäftigt und mit der Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass wir Situationen meistern und Krisen überwinden.

Resilienzforschung als Thema der Psychologie

Jahrzehntelang hat sich die Psychologie damit beschäftigt, wie psychische Krankheiten entstehen, wie man sie behandelt und was Abweichung von der Norm bedeutet. In den letzten Jahren ist die Erforschung positiver Energien in den Fokus gerückt und die Wissenschaftler fragen sich, wie ein gutes Leben gelingt und welche Voraussetzungen wir mitbringen müssen, um auch aus Krisensituationen unbeschadet hervor zu gehen.

Wir alle sind im Laufe des Lebens Krisensituationen ausgesetzt, dies ist im Leben einfach nicht zu umgehen. Manche Krisen sind entwicklungsbedingt und treffen jeden Menschen im Laufe seiner Entwicklung: ob das der erste Liebeskummer ist, bei dem man das Gefühl hat, die Welt geht unter, Identitätskrisen und Neuordnung des Lebens, wenn man von zu Hause auszieht und sein „eigenes“ Leben beginnt oder das Erleben um die Bedrohung der eigenen Körperlichkeit am Ende des Lebens.
Schwerer umzugehen ist sicherlich mit den unvorhersehbaren Krisensituationen. Ereignisse, die uns wie aus heiterem Himmel treffen: Krankheit, Trennung, Tod, Unfall  oder auch eine Depression, die uns ereilt und mit der wir irgendwie fertig werden müssen.

Die Forschung will nun wissen, was macht uns stark? Was hilft uns, diese Krisen zu meistern. Die Antworten darauf sind zum Teil überraschend und zum Teil hoffnungsvoll, da wir auch selbst einen Einfluss haben darauf, wie wir auf Krisen reagieren und mit Ihnen umgehen..

Äußere Umstände: aufgefangen werden

Es erstaunt nicht, dass der Umgang mit Krisen und auch unvorhersehbaren Ereignissen erleichtert wird, wenn wir ein Netz haben, das uns auffängt. Dieses Netz kann aus Menschen bestehen, die uns nahe sind: der Partner, Familie und Freunde. Jemand der einem zuhört und sich einfühlt, der einen in den Arm nimmt oder auch einfach nur da ist, das kann Wunder wirken in einer schweren Situation. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: geteiltes Leid ist halbes Leid. Denn es ist tatsächlich so, dass durch das Mitteilen und dadurch auch Teilen von Leid und Schmerz der Umgang damit leichter wird.

Auffangen kann uns aber auch eine Aufgabe oder eine Tätigkeit, die uns Sinn gibt. Das kann tatsächlich auch der Beruf sein, in welchem wir Resonanz erfahren, also das Gefühl, dass das was wir tun eine Wirkung hat und Antwort findet. Viele Menschen schöpfen aber auch Kraft daraus, anderen Menschen zu helfen, die in vergleichbaren Situationen feststecken. Die Tätigkeit und das Wissen andere in einer ähnlichen Lage unterstützt zu haben, kann sogar dazu beitragen Schicksalsschläge zu überwinden. Das kann dann sogar so weit gehen, dass diejenigen Selbsthilfegruppen gründen oder ehrenamtlich aktiv werden.

Persönlichkeit und Resilienz

Überraschend ist nicht die Tatsache, dass auch unsere Persönlichkeit eine große Rolle dabei spielt, wie wir mit Krisen umgehen. Es gibt in der Psychologie das Modell der Big Five, hierbei werden fünf grundlegende menschliche Charaktereigenschaften beschrieben. Für jede dieser Eigenschaften kann eine Skala angelegt werden, auf welcher gemessen wird, ob die Eigenschaft bei der betreffenden Person in hohem oder geringem Maße ausgeprägt ist und entsprechend der Ausprägung können Rückschlüsse auf Glücksempfinden und die Fähigkeit mit Krisen umzugehen getroffen werden.

Offenheit: Auf zu neuen Ufern

Die Offenheit für Erfahrungen beschreibt, ob wir bereit sind, neue Dinge auszuprobieren und gerne Dinge erleben und auch ein reiches Fantasieleben besitzen oder ob uns unbekannte Dinge eher verunsichern. Menschen, die gerne Neues ausprobieren, also einen hohen Grad an Offenheit zeigen, erleben nicht nur mehr, sondern sind auch glücklicher. Es verunsichert sie nicht, wenn etwas vom Geplanten abweicht und dadurch reagieren sie auch flexibler auf Veränderungen und Krisensituationen.

Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit: Planen für sich und Andere

Ob man sorgfältig planen und sich selbst kontrollieren kann, wird von den Fachleuten als Gewissenhaftigkeit bezeichnet. Verträglichkeit ist umgangssprachlich ausgedrückt die Fähigkeit, sich mit anderen zu vertragen, also ob wir einfühlsam, von angenehmem Wesen und unterstützend sind. Tatsächlich haben Forscher herausgefunden, dass Menschen, die ihr Leben im Griff haben und auch andere unterstützen, also ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit besitzen, schneller über Krisensituationen hinweg kommen.

Die Gewissenhaftigkeit hilft uns, uns in einer Krise zu orientieren und neu zu organisieren. Die Gewissenhaftigkeit spielt eine Rolle dabei, ob und wie schnell wir von Anderen Unterstützung erhalten. Jemand, der immer für andere da ist, der gemocht wird, dem wird in der Regel auch geholfen.

Extraversion vs. Introvertiertheit

Was extravertierte Menschen sind, weiß jeder. Das sind Personen, die auf Andere zugehen und herzlich, interessiert und neugierig sind. Intraversion ist als Gegenteil hierzu bei Menschen zu finden, die gerne allein und unabhängig sind und im Umgang mit anderen auch eher zurückhaltend.

Hier gibt es keine direkten Rückschlüsse auf das Glücksempfinden und das Bewältigen von Krisen. Letztendlich hängt es von der Frage ob wir extravertiert oder introvertiert sind ab, ob uns eher die wilde Party oder ein Abend mit Buch, Kuscheldecke und Tee auf dem Sofa glücklich machen.

Sicherlich ist es auch ein Klischee, dass Introvertierte sich leichter tun, Trennung oder seelische Schmerzen zu verarbeiten. Im Gegenteil, sie empfinden oft tiefer und „trösten“ sich nicht so schnell über eine Situation „hinweg“. Sie zeigen es wohl nur nicht so sehr nach außen und tatsächlich liegt im tieferen Empfinden auch etwas Tröstliches: Nicht nur Schmerz, sondern auch Freude wird tiefer empfunden und letztendlich dadurch auch verarbeitet und wird so zum Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Denn wer eine Krise aus eigener Kraft überwindet, wächst in der Regel daran.

Immer ich – der Neurotizismus

Als letzte Eigenschaft bleibt der Neurotizismus zu beschreiben. Dies ist eine Eigenschaft, die man mit Ichbezogener Labilität übersetzen kann. Wenn ich alles was passiert auf mich selbst beziehe und sehr empfindlich bin, ist das eine Eigenschaft, die mich nicht glücklich macht und tatsächlich auch das Auftreten von Krisen befördert. Nicht nur weil ich durch die überempfindliche Wahrnehmung auch Krisen heraufbeschwöre und Dinge in meiner Imagination schlimmer mache als sie tatsächlich sind. Die innere Kränkung macht es mir auch schwer, Dinge zu überwinden.

Concerning Hobbits – Das Prinzip der Selbstwirksamkeit

Zu guter Letzt kommt die gute Nachricht. Forscher haben herausgefunden, dass die Persönlichkeit eines Menschen nicht festgeschrieben steht, sondern sich im Laufe des Lebens verändert. Tatsächlich haben wir selbst mit unserem Willen die Möglichkeit, unsere Persönlichkeit zu formen: öfter Dinge ausprobieren und auf Fantasiereisen gehen, sich Methoden aneignen den Alltag und das Leben zu strukturieren, versuchen, sich in andere Menschen hinein zu versetzen und ihr Fühlen nachzuvollziehen, sie zu unterstützen und zu guter Letzt, zu üben auf Partys auch einmal fremde Menschen anzusprechen oder sich einfach zu einer Gruppe dazu zu gesellen. Sprich wir können lernen mehr Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Extraversion an den Tag zu legen. Wir können diese Eigenschaften trainieren und uns dadurch weiter entwickeln. So nehmen wir quasi auch Eigenschaften an, die es uns ermöglichen, mit schwierigen Situationen besser um zu gehen.

Jeder kennt den Hobbit Bilbo Beutlin, der mit Argwohn jede Veränderung und jeden Fremden ansah, für den immer alles nach Plan gehen musste, da er sich sonst verunsichert fühlte. Er hat mit Gandalfs Hilfe dazu gefunden, etwas zu wagen. Er ist dadurch über sich selbst hinaus gewachsen und hat gelernt, dass er immer einen Einfluss auf das hat, was passiert und auch in der schlimmsten Situation nicht nur Opfer ist, sondern die Situation verändern und das Beste daraus machen kann. Dies ist das Prinzip der Selbstwirksamkeit oder um es mit den Worten von Neil Gaiman zu sagen: „Fairytales are more then true: not because they tell us Dragons are alive, but because they tell us, dragons can be beaten!“

Die Romantherapie

Dies möchte ich abschließend auch als Anlass nehmen, Euch aufzufordern mehr zu lesen. Denn, Lesen eröffnet uns nicht nur neue und fremde Welten, es hilft uns in andere hinein zu versetzen, mit zu fühlen und zu lernen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht.
Nicht umsonst wird inzwischen auch die Lesetherapie eingesetzt, um Depressionen entgegen zu wirken.
Nachweislich wirkt sich lesen beruhigend, entstressend auf das Gehirn aus und aktiviert dieselben Zentren, die auch bei einer Meditation aktiv werden.

Also wenn die Seele schmerzt einfach mal in die literarische Hausapotheke greifen.

Und hier geht es zu einer Reportage über Resilienz.

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