Heute schon gesammelt?

Wer hat das noch nicht gesehen? Kleine Jungs und Mädchen sammeln Muscheln und Steine und stecken sie in die Taschen, um sie später wie einen Schatz zu hüten. Sicher hast du das auch schon einmal gemacht! 71 Prozent der Kinder sammeln gern, aber nicht nur sie … Warum sammeln wir eigentlich?

Es kommt der Frühling und mit ihm der Frühjahrsputz. Gerade bei diesem fällt es mir jedes Jahr besonders auf: bei mir stapeln sich die Bücher! Wie kann das nur sein? Na gut, manchmal kaufe ich vielleicht ein, zwei Bücher, die ich nicht unbedingt brauche, aber schließlich bin ich einfach glücklich, wenn ich ein neuerworbenes Exemplar bei mir im Regal betrachten kann. Bücher sind eben meine Sammelleidenschaft. Ich kann an keinem Buchladen vorbeigehen. Aber ich bin nicht die Einzige, die sammelt.

Wenn ich zurückdenke, dann hat das Sammeln schon ganz früh angefangen. Früher, im Kindergarten, da waren es noch Blätter, Steine oder kleine Spielfiguren. Ich weiß noch ganz genau, dass meine ältere Schwester eine Zeit lang Schlümpfe gesammelt hat. So viele, dass sie ein ganzes Regal füllten. In der Schule habe ich dann Diddl-Blöcke und Blätter und Hefte und Stifte und Kuscheltiere und … gesammelt. Vor allem die Blätter der Blöcke konnte man unter Freunden tauschen und wenn man ein heißbegehrtes Blatt hatte, dann war derjenige ganz beliebt in der Klasse. Später wurden aus den Blättern und Blöcken nur noch Füller (aber natürlich in allen möglichen Varianten!). In jedem neuen Schuljahr kam mindestens einer dazu – das ist heute, im Studium auch noch so geblieben.

Aber warum sammeln wir? Teilweise mag das sicher von unseren Vorfahren, die sich als Jäger und Sammler durchschlagen mussten, noch genetisch bedingt sein. Heute gibt es aber auch noch andere Gründe. Wenn ich beispielsweise an meine Oma denke, dann weiß ich, dass sie alles sammelt und behält, was ihr unter die Finger bekommt – und das nicht, weil sie sich als steinzeitlicher Sammler fühlt. Bei der Generation, die den zweiten Weltkrieg miterlebt hat, ist das Sammeln ein fester Bestandteil geworden. Diese Menschen mussten schon damals mit wenig auskommen und haben gelernt, alles aufzuheben, denn es könnten noch schlechtere Zeiten kommen. Deshalb heben sie auch Dinge auf, von denen sie gar keinen direkten Nutzen haben. So sammelt die Großmutter einer Freundin leere Klopapierrollen. Mit diesen könnte sie vielleicht einmal die Pflanzen in ihrem Garten stützen – das ist aber noch nie passiert.

Es gibt verschiedene Sammeltypen.

Dieter Frey ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität München. Er hat sich mit dem Thema „Sammeln“ befasst und festgestellt, dass viele Menschen heute wie früher Prestigeobjekte, wie Medaillen, teure Autos, bekannte Kunstwerke oder ähnliches Sammeln. „Dieses Prinzip der Machtdemonstration (Dominanztrieb) ist nach wie vor ein starkes Motiv bei Sammlern“, schreibt er in einem seiner Artikel, „Eitelkeit und Narzissmus spielen auch eine Rolle, wenn es gilt, die besten Briefmarken, Medaillen, Uhren zu haben und dies auch der Welt zu zeigen. Man möchte bewundert werden.“ Auch sieht Frey im Sammeln eine soziale Aktivität, da man oft mit Freunden und Bekannten sammelt und in diesem Gesellschaftskreis akzeptiert ist.

Während ich selbst ein bisschen meine „Sammelgeschichte“ nachverfolgt habe, ist mir aufgefallen, dass es verschiedene Sammeltypen gibt:

So gibt es die normalen Sammler, die auf Flohmärkte gehen und dort versuchen Schnäppchen zu machen, welchen sie dann teuer verkaufen können. Oder es gibt die historischen Sammler, deren Ziel es ist so viele antike Gegenstände wie möglich zu haben.

„Ich sammle Postkarten, die mir geschickt wurden“, sagt eine Freundin zu mir. Diese Sammler sind Erinnerungssammler. Ihnen geht es nicht primär, um Ansehen, sondern darum, gute Erinnerungen zu konservieren und aufzuheben. Sie gehen beispielsweise auf Konzerte, auch wenn sie für eine Karte davor mehrere Stunden anstehen mussten.

Mein Vater wiederrum hebt von seinem Gesellenbrief bis zu einem Maniküre-Set aus den 70ern alles auf. Er ist ein sentimentaler Sammler. Bei ihm hängen an den Dingen, die er behält, einfach Erinnerungen. Weiter ist er aber auch gleichzeitig ein praktischer Sammler, denn er hebt jede Schraube und jedes Werkzeug oder Holzstück auf, denn es könnte einmal nützlich sein.

Wenn sie einmal das Zimmer aufräumen muss, dann findet sie Papierschnipsel vom Kunstprojekt vor einem halben Jahr.

Auch meine Mutter vereint zwei Sammlertypen in sich. Wenn wir am Strand sind sammelt sie Muscheln, im Wald Pilze, im Herbst Blätter, im Sommer Löwenzahn für die Schildkröten … Ich könnte die Liste noch endlos fortsetzen. Wenn sie sich draußen einmal auf ein Objekt fixiert hat, dann sieht sie es überall und hat gerade zu Freude daran es aufzustöbern. Sie ist ein typischer Jäger, der nur während des Prozesses des Sammelns Freude hat und später dann die eigentlichen Objekte unwichtig findet. Zugleich ist sie auch ein projektiver Sammler. Die projektiert eine Sammelleidenschaft eines anderen – in diesem Fall meine Vorliebe für Eulen – auf sich und kauft auch alle Gegenstände, die damit zu tun haben, um sie dann – an mich – zu verschenken. Durch sie habe ich schon zweimal Eulenbettwäsche, Eulentaschen, Eulenshirts, Eulenblumentöpfe, Eulenmäppchen, eine Weihnachtseule, Eulentassen, Eulentaschen, Eulenkerzenhalter … Ihr seht, was ich meine?

Eine andere Freundin von mir sammelt alles. „Ich sammele von Bildern über Vintage-Sachen über Schilder von Jugendprojekten einfach alles. Ich hebe alles auf!“, sagt sie und lacht. Ein solcher Sammler ist ein infantiler Sammler. Er sammelt alles ohne für andere erkennbares System. Bei ihm bleibt es dann in irgendeiner Kiste. So ähnlich sammelt auch meine neun-Jährige Nichte: Wenn sie einmal das Zimmer aufräumen muss, dann findet sie Papierschnipsel vom Kunstprojekt vor einem halben Jahr.

Weiter gibt es noch Sammler, wie die ästhetischen, die nach dem Aussehen von Objekten, wie Parfümfalschen, sammeln. Oder Exklusivsammler, die sich besonders auf teure Objekte spezialisiert haben. Oft ist man nicht nur ein Sammler, sondern eine Mischung aus mehreren. Ich selbst habe meine Mischung noch nicht ganz gefunden. Wahrscheinlich ein bisschen sentimental, systematisch, ästhetisch und Erfahrungssammler.

Aber das Sammeln hat nicht nur seine guten Seiten. Wenn ein Mensch zu viel sammelt und nicht mehr aufhören und es kontrollieren kann, dann kann er unter dem Messie-Syndrom leiden. Dieser Mensch kann die Werte und den Nutzen von den gesammelten Objekten nicht mehr unterscheiden, sodass oft auch Müll dabei ist und er irgendwann überfordert ist alles wegzuräumen. Das führt oft zu Verwahrlosung und Vermüllung und nur mit einer Therapie ist einem solchen Menschen zu helfen. Ich selbst habe einmal kurze Zeit über einem Messie gewohnt. Im Sommer beispielsweise hat er angefangen Fleisch und altes Blech zu sammeln. Im Winter war die Krankheit soweit vorgeschritten, dass der Hausflur kaum noch begehbar war.

„Sammler sind glückliche Menschen.“

Auch ein normaler Sammler sollte sich in Acht nehmen, denn Frey hat erkannt, dass zu intensives Sammeln auch eine Wirklichkeitsflucht sein kann. „Man findet so [mit dem Sammeln] eine Insel oder eine Nische, auf die bzw. in die man sich zurückziehen kann“, schreibt Frey, „Im Extremfall wird man zum einsamen Sammler, so dass man einerseits seine Einzigkeit bewahren kann, vielleicht auch Bewunderung ernten kann, aber andererseits sämtliche andere Realitäten des Lebens ausblendet.“

Aber keine Angst: Wenn das Sammeln nur ein Hobby ist, das vielleicht sogar mit Freunden geteilt wird, dann kann so etwas nicht passieren. Denn schon Johann Wolfgang von Goethe hat erkannt: „Sammler sind glückliche Menschen.“

Deshalb werde ich auch weiter Bücher sammeln und mich ihres Anblicks in meinem Regal freuen. Mein Motto bleibt also: „Bücher lesen und Bücher kaufen sind zwei verschiedene Hobbys! Und beide manchen gleichviel Spaß.“

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