Pride! Wie das?

Pride! Warum die LGBTQ+-Community feiert

Offen Pride, Stolz, zu empfinden, fällt manchmal schwer. Der LGBTQ+-Community war das lange Zeit sogar unmöglich, weil z. B. Homosexualität verboten war. Silke Ulrichs erzählt im Themenmonat Proud to be Proud, wie Pride möglich wurde.

Früher kannte man in Deutschland nur den CSD (Christopher Street Day), der nach den Stonewall-Unruhen benannt ist. Doch jetzt nutzt man es überall fast den Begriff „Pride“ – und der Juni war sogar Pride Month. Das englische Wort für Stolz steht hier für den Stolz, den Mitglieder der LGBTQ+-Community – also Lesben, Gays, Bisexuelle, trans Personen, Queers, Intersexuelle, Asexuelle und so weiter – für ihre Identität empfinden.

Um zu erklären, wie aus Verbot Stolz wurde, muss ich ein bisschen weiter ausholen und bis zur Beerdigung der Schauspielerin Judy Garland zurückgehen. Judy war eine Ikone der Schwulenszene und sehr beliebt in New Yorker Kreisen. Damals fanden regelmäßig Razzien in Szene-Bars statt. Auch nach Judys Beerdigung am 27. Juni 1969 wurden Bars von Polizisten aufgemischt und Schwule und Lesben gewaltsam vertrieben. Eine dieser Bars war das Stonewall-Inn, wo die Razzia in ebendieser Juninacht etwas anders verlief.

Es gibt drei wichtige Namen in der Geschichte der Stonewall-Unruhen: Sylvia Rivera, Stormé DeLaverie und Marsha P. Johnson:

  • Rivera, eine lateinamerikanische trans Frau, soll die erste Flasche nach Polizisten geworfen haben, nachdem sie von einem Schlagstock getroffen worden war.
  • Andere sagen hingegen, dass DeLaverie, eine afroamerikanische Lesbe und Dragking, ihre Freunde zur Revolte angespornt haben soll, als sie sich dagegen wehrte, in ein Polizeiauto zu steigen.
  • Auch Marsha P. Johnson, eine afroamerikanische Dragqueen, soll eine der Ersten gewesen sein, die sich an dem Abend gegen die Polizei gewehrt hat. Sie ist bis heute das Gesicht der Stonewall-Unruhen.

Es waren also BIPoC (Schwarze, Indigene und People oColor) Frauen, die diese Bewegung angetrieben und angeführt haben. 

CSD: Pride auf der Christopher Street

Der Aufstand ist so weit eskaliert, dass Besucher anderer Bars davon mitbekommen haben und auch zum Stonewall-Inn gingen, um ihren Freunden und Mitmenschen zu helfen. Am Ende standen geschätzt 2000 Demonstranten den 400 Polizisten gegenüber. Mehrere Personen wurden verletzt, einige davon schwer.

Die Proteste dauert mehrere Tage. Doch waren die nächsten Nächte nicht so brutal wie die erste am 27. Juni 1969. Diese Aufstände waren der erste Schritt in Richtung Akzeptanz für Homosexuelle und transgender Personen. Am ersten Jahrestag des Aufstands wurde der Christopher Street Liberation Day mit einem Straßenumzug gefeiert. Bis heute wird in New York am letzten Samstag im Juni an dieses Ereignis erinnert.

Als man in Deutschland vom ersten CSD berichtete, wurde mit keinem Wort gesagt, dass es sich um eine Parade für Schwule und Lesben handelt. Die FAZ nannte den Anlass sogar ein „Geburtstagsfest“. Erst zehn Jahre nach den Stonewall-Unruhen fanden die ersten CSD-Veranstaltungen in Köln und Berlin statt. Doch es gab einen erheblichen Unterschied zwischen den Protesten in Amerika und denen in Deutschland: In Deutschland war es illegal, homosexuell zu sein.

Der langsame Weg zu Gleichberechtigung

Hier galt Paragrafen § 175, der seit 1872 Sex zwischen zwei Männern verboten hat. Von Frauen war übrigens nie die Rede. Homosexualität unter Frauen war gesellschaftlich ebenso nicht angesehen. Unter den Nazis wurde das Gesetz um die Formulierung „widernatürliche Unzucht mit Tieren“ erweitert, was suggerierte, dass Homosexualität gleichzusetzen sei mit Geschlechtsverkehr mit Tieren.

Erst 1969 und 1973 kam es zu Reformen des Paragrafen. Seitdem waren nur noch sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter 18 Jahren strafbar. Hier ist anzumerken, dass das Schutzalter bei Lesben im Gegensatz dazu wie bei heterosexuellen Menschen bei 14 Jahren lag. Erst im Juni 1994 wurde der Paragraf vollständig abgeschafft.

Heute sieht die Akzeptanz der Homosexualität in Deutschland etwas durchwachsen aus: Es gibt keine Gesetze mehr, die Homosexualität verbieten. Seit 1. Oktober 2017 ist die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt. (Angela Merkel hat die Abstimmung über die Ehe für Alle in die Wege geleitet, jedoch hat sie selbst dagegen gestimmt, da es gegen ihre religiösen Werte geht.)

Gleichberechtigung ist leider nicht Akzeptanz

Dennoch bekennen sich manche immer noch offen ihrer Abneigung gegen Homosexuelle und andere Nichtheterosexuelle. Auch jetzt während der Fußball Europameisterschaft, als München mit der Allianzarena in Regenbogenfarben gegen ein ungarisches Gesetz protestiert, das die Rechte von Homosexuellen beschneidet, liest man im Internet viele diskriminierende Aussagen, die oft mit dem Satz beginnen: „Ich bin nicht homophob/intolerant, aber …“

Aussagen, die so beginnen, enden leider in der Regel sehr intolerant und voll von Hass. Und um das auch noch gesagt zu haben: Ihr habt keine Phobie, also keine Angst. Ihr empfindet Hass. Da gibt es nichts schönzureden.

Wir haben in Deutschland also zwar das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dennoch erleben homosexuelle oder transidente Personen noch häufig Beleidigungen, Diskriminierungen oder sogar Angriffe auf offener Straße. Deutschland ist weit gekommen auf dem Weg der Toleranz. Im Vergleich zu anderen Ländern geht es uns hier sehr gut. Doch perfekt ist leider etwas anderes.

Pride trotz Corona

In Deutschland wird Pride nicht mehr am letzten Samstag im Juni gefeiert, sondern an Wochenenden zwischen Juli und August. In Stuttgart ist es normalerweise der letzte Samstag im Juli, also ein Monat nach dem Jahrestag der Stonewall-Unruhen. Auch 2021 findet der CSD unter dem Motto „Schaffe, schaffe – bunter werden“ in Stuttgart statt – trotz Corona! Vom 16. Juli bis 1. August 2021 wird Vielfalt an verschiedenen Orten in der Stadt gefeiert. Und das Highlight ist wieder die CSD-Demonstration am 31. Juli.

Wie genau die Veranstaltungen und die Politparade unter aktuellen Umständen organisiert wird, kann man auf der Web-Seite csd-stuttgart.de nachlesen. 

Auch in Köln findet dieses Jahr wieder die Cologne Pride statt, der größte CSD in Deutschland. Das gesamte Festival geht vom 21. August bis zum 5. September, mit dem Highlight der CSD-Demonstration am 29. August. Eigentlich ist das CSD-Straßenfest und die Demonstration der Abschluss der Pride, dieses Jahr wurde sie aber verlegt, um nicht mit dem WorldPride und den EuroGames 2021 zu kollidieren.

Cologne Pride kooperiert dieses Jahr auch mit dem zeitgleich stattfindenden CSD Münster. „Die in Münster am Samstag und in Köln am Sonntag stattfindende Demonstrationen werden zusammen eine noch größere Strahlkraft für die LGBTIQ* Community in NRW haben“, schreiben sie auf ihrer Homepage colognepride.de. Köln wird dieses Jahr unter dem Motto „Für Menschenrechte – Viele. Gemeinsam. Stark!“ ein Zeichen für Akzeptanz setzen.

Eine gute Übersicht über die Veranstaltungen in Deutschland findet ihr unter csd-termine.de.

Pride! Wie das?

Einige LGBTQ+-Begriffe erklärt

In dieser besonderen Proud to be proud-Ausgabe unseres Magazins stellen wir euch durch Interviews einige Mitglieder der LGBTQ+-Community vor. Damit ihr ein Bild davon bekommen könnt, was es heißt, Teil dieser Community zu sein. Die Szene ist sehr breit gefächert und divers. Gewissermaßen besteht sie also aus vielen kleineren Szenen.

Hier möchte ich noch ein paar Phänomene und dazugehörige Begriffe vorstellen, die vielleicht nicht jeder kennt. 

Begriffe zur sexuellen Orientierung

  • Schwul und lesbisch kennt mittlerweile fast jeder: eine Person, die auf das gleiche Geschlecht steht – relativ simpel eigentlich. 
  • Bisexuell und Pansexuell wird oft ähnlich beschrieben, hier gibt es jedoch auch einen Unterschied.
    Oft wird gesagt, dass bisexuell zu sein bedeute, man empfindet nur für zwei Geschlechter eine Anziehung, oder sogar dass es trans Personen ausschließe. Laut dem Queer Lexikon stimmt das jedoch nicht. Hier heißt es: „Eine bisexuelle Person fühlt sich romantisch und/oder sexuell zu Menschen zweier oder mehrerer Geschlechter hingezogen“.
    Pansexuelle auf der anderen Seite können sich zu jedem Geschlecht hingezogen fühlen. Der Unterschied zu bisexuellen Personen ist hier, dass es nicht auf das Geschlecht ankommt, sondern allein auf die Person. Bisexuelle Personen dagegen finden beispielsweise eine Charaktereigenschaft in einem Geschlecht attraktiv, die sie in einem anderen Geschlecht nicht attraktiv findet.  
  • Asexuell ist auch einfach erklärt: eine Person, die sich zu keinem Geschlecht sexuell hingezogen fühlt. Asexualität liegt aber, wie viele Sexualitäten, auf einem Spektrum. Es gibt Menschen, die sexuelle Anziehung empfinden können, und solche, die Sex sogar abstoßend finden.
  • Demisexalität liegt auf dem Spektrum der Asexualität. Demisexuelle Menschen brauchen erst eine gewisse emotionale Verbindung zu einer Person, bevor sie eine sexuelle Anziehung spürt. 

Begriffe zur sexuellen Identität

  • Trans ist laut dem Queer Lexikon ein „Überbegriff für transsexuelle, transidente und Transgender Menschen und alle, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, dem sie bei der Geburt zugewiesen wurden“.
    Das heißt so viel wie: Wenn jemand in einem männlichen Körper geboren wurde, sich aber als Frau fühlt, vielleicht auch eine Hormontherapie macht und Geschlechtsumwandelnde Operationen durchführt, ist diese Person eine trans Frau. Das Gegenteil davon ist eine cis Person – eine Person, die sich mit dem Geschlecht wohl fühlt, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. 
    
  • Nichtbinär gehört allgemein unter den Begriff trans, auch wenn sich nicht alle, die sich nichtbinär nennen, auch als trans bezeichnen würden. Der Begriff bezieht sich auf einen Menschen, der sich weder als Mann noch als Frau sieht. Oder umgekehrt: auf eine Person, die sich gleichzeitig als Mann und als Frau fühlt. Da das Geschlecht ein Spektrum ist, bedeutet nichtbinär allgemein einfach, dass dieser Mensch sich nicht an einem absoluten Ende des Spektrums steht.
    Nichtbinär ist auch ein sogenannter Umbrella Term (ein Überbegriff) für weitere Geschlechtsidentitäten wie genderqueer. 
    
  • Genderfluid steht ebenfalls unter dem nichtbinär Umbrella, ist aber etwas schwerer zu erklären. Die Geschlechtsidentität einer genderfluiden Person kann sich nämlich ändern. Das Queer-Lexikon sagt dazu: „Das Geschlecht kann zwischen allen möglichen Geschlechtern wechseln, z. B. von männlich zu weiblich, aber auch von weiblich zu nonbinary (nichtbinär), von nonbinary zu agender, etc.“ 

Romantisch und queer

Man muss beachten, dass alle Sexualitäten auch in Form von romantischer Anziehung stattfinden können, und diese sich innerhalb eines Menschen auch unterscheiden können. Es gibt z. B. biromantische homosexuelle Männer und Frauen, die eine romantische Anziehung zu allen Geschlechtern empfinden können, sexuelle Anziehung aber nur gegenüber dem eigenen Geschlecht. 

Ein großartiger Umbrella Term in Sachen LGBTQ+ ist queer. Früher war das ein diskriminierender Ausdruck für schwule Männer. Aber heute dient er dazu, Schubladendenken aufzubrechen – und sogar als Bezeichnung eines Wissenschaftszweiges. Er beschreibt dementsprechend einfach nur eine Person, deren sexuelle/romantische Anziehung oder Geschlechtsidentität nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht. Aber Achtung! Da der Begriff früher eine Beleidigung war, fühlen sich manche Menschen unwohl, als queer bezeichnet zu werden. 


Wenn du dich noch weiter über Begriffe der LGBTQ+-Community informieren möchtest, dann schau doch mal auf die Webseite des Queer-Lexikons (queer-lexikon.net).


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